Über mich

Ich hab´ von der Freiheit gekostet.

 

Vor Jahren schon habe ich ein Gefühl erahnt, als ich Philosophie studierte. Die Aussage Nietzsches "Gott ist tot." bedeutete für mich: Es gibt keine Instanz, auf die ich mich ausreden kann. Ich soll frei sein von der Doktrin Anderer und die einzige Größe, die für mich relevant sein soll, wär ich und mein Gewissen. Das hatte in erster Linie einmal etwas Reizvolles, wobei man das nicht missverstehen sollte mit "Tu, was du willst, soll sein das ganze Gesetz." - das ist eine andere Baustelle. Schließlich beinhaltet die Philosophie auch Kants kategorischen Imperativ: "Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde."

 

Mag sein, dass einen diese Fassung in aller Kürze etwas erschlägt; das war auch in der Langfassung so.

 

Es folgten Jahre des Diskutierens, Abwägens, Sich-selbst-hinterfragens - bis der Satz: "Ich weiß, dass ich nichts weiß." auch keinen Halt mehr gab, da ich selbst das nicht wirklich wusste. Worauf sollte ich vertrauen? Auf meine Sinne? Meinen Geist? Auf mich? Wer bin ich? ...

 

Die meisten Studenten der Philosophie durchlaufen dann eine absurd-pragmatische Phase. Wenn sie sich selbst finden wollen, schauen sie in den Spiegel und auf die Kant´schen Fragen - zu denen Bücher existieren - werden simple Antworten generiert. Was kann ich wissen? - Am Mittwoch gibts Knödel. Was soll ich tun? - Geschirrspüler ausräumen wär ein Hit. Beispielsweise. Natürlich schwingt da ein wenig Frustration, aber auch Ironie mit.

 

Nichts desto trotz lernten wir die Einsamkeit schätzen. Über Jahre haben wir Texte und Worte zerpflückt, um endlich unsere eigene Wahrheit ausdrücken zu können. Die Wahrheit, die, als unser Weltbild und Wertekonstrukt unter Angriffen zusammenstürzte, Bestand hatte. Die sich einfach richtig und lebendig anfühlte. Die Erkenntnisse, die wir erlangten sind individuell, doch die Erfahrung auf sich selbst zurückgeworfen zu werden verbindet. Nicht nur mit Studienkollegen. Mit der gesamten Geschichte.

 

Ich habe zum Beispiel in diesem Prozess an der Frage gekiefelt: "Wo will die Menschheit mit ihrer Wissenschaft eigentlich hin? Wann sind die denn fertig?" Dann schlug ich ein Buch von Edmund Husserl auf und - der hat sich die selbe Frage gestellt. Nicht, dass er zu einer Antwort gekommen wäre, er behandelte das Problem. Und ich mit ihm.

 

Dieses Eingebettetsein in einer jahrtausendealten Geistesgeschichte ließ mich erkennen: Ich war frei, meine Wahrheit zu suchen, dank unzähliger Menschen vor mir. So durfte ich von der Freiheit kosten. Ich fand meine Wahrheit in Form eines inneren Kompasses und ich verspreche auf meine Art und Weise Appetithäppchen anzubieten und das Buffet zu verteidigen.

 

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© Ina Seiser